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Warum ich schreibe

Gedanken über den Sinn oder Unsinn schriftstellerischer Ambitionen

 

„Warum schreibst du eigentlich?“

Diese Frage kommt nicht nur aus meinem Umfeld, sondern ich stelle sie mir selbst gelegentlich. Vor allem dann, wenn gerade alles dagegen zu sprechen scheint: Familie und Freunde kommen zu kurz, der bezahlte Job konkurriert erfolglos mit der zeitintensiven Nebentätigkeit, Rückmeldungen zu den mühsam erstellten Werken bleiben wochen- und monatelang aus, keine Verkäufe in Sicht, Fehldrucke bei den Prints machen nur Ärger und die Ausgaben übersteigen die Einnahmen um ein Vielfaches, so dass der Staat annehmen muss, es handele sich um Liebhaberei anstatt um ein ernst gemeintes Geschäft.

Nun, zum Geldverdienen taugt meine Schreiberei anscheinend nicht, das habe ich längst eingesehen und verbuche sie deshalb ganz bewusst unter „Hobby“, dessen ohnehin schmale Erträge als Spende an eine humane Hilfsorganisation gehen.

Die anfängliche Euphorie, einen Weltbestseller zu schreiben, der verfilmt wird und mir ein sorgenfreies Dasein als freie Schriftstellerin ermöglicht, ist längst verflogen und einem eher realistischen Bild gewichen, bei dem meine Bücher auf einem hart umkämpften Markt einen geradezu winzigen Platz im Herzen einer Leserschaft ergattern, die sich im hinteren Kommastellenbereich eines Promilleanteils bewegt.  

 

Also wozu tue ich mir das alles an?

Die Frage lässt sich eigentlich mit einem einzigen Satz beantworten:

Weil ich nicht NICHT schreiben kann.

Ich bin süchtig.

Ein Wort-Junkie, der die Tastatur unter den Fingern braucht, um sich wohl zu fühlen, dem Einfälle, Geschichten, Gedanken und Ideen unter den Nägeln brennen, dem die ständig neu entstehenden Worte den viel zu begrenzten Platz im Kopf ohne Abflussmöglichkeit definitiv irgendwann sprengen würden.

Eine Verrückte also, die abhängig ist und dringend einen Therapeuten bräuchte, wenn Schreiben an sich nicht schon die Therapie wäre, zu der Therapeuten in einem solchen Fall gemeinhin raten.

Aber ich bin bloß eine von vielen.

Seit ich selbst von dieser Passion besessen bin und mich mit der Welt der Schreiberlinge vernetze, begreife ich langsam, dass ich mit diesem Problem nicht alleine stehe, ganz im Gegenteil. Es gibt da draußen unfassbar viele verwandte Seelen, die mehr oder weniger an den gleichen Symptomen leiden müssen. Das Outcoming fällt ihnen allerdings nicht leichter als mir. Wem gelingt es schon problemlos zuzugeben, dass er an einer unheilbaren Krankheit leidet?

Deshalb jetzt mal meine provokativen Gegenfrage an die offenkundige Minderheit der Nicht-Schreiber in der Welt, die sich anscheinend lediglich (und aus mir bisher unbekannten Gründen) in meinem eigenen Bekanntenkreis häufen:

Warum schreibt ihr nicht?

Diese Frage lässt sich sicherlich nur ganz individuell und im Einzelgespräch klären, da die Gründe für eine solche Entscheidung so vielfältig sind, wie die Individuen, die sie fällen. Eins ist jedoch gewiss, ich werde ihnen garantiert nicht raten, damit anzufangen. Jeder ist sich schließlich selbst der Nächste. Wo kämen wir denn hin, wenn das Autoren-Leser-Verhältnis NOCH ungünstiger würde? Autoren haben naturgemäß viel weniger Zeit, selbst zu lesen, als Nichtschreiber. Und auch wenn Lesen im Allgemeinen schneller geht, als das Schreiben von Büchern, hätten wir bald einen so großen Überhang an ungelesenen gedanklichen Ergüssen, dass es nicht mehr zu ertragen wäre.

Deshalb mag ich es, wenn die Leute mich für völlig abgedreht halten. Sie glauben allen Ernstes, wenn ich ihnen erzähle: „Versucht es gar nicht erst, es bringt sowieso nichts!“

Täuschen kann ich damit zwar höchstens die wenigen Unkundigen, die noch nicht von dem Virus gepackt wurden, doch als reine Selbstschutzmaßnahme ist es zumindest einen Versuch wert. Deshalb hier meine Antwort für alle, die sich bislang „rein“ gehalten haben:

„Schreiben ist eine völlig sinnlose, überflüssige, zeitaufwändige, durch und durch unbefriedigende Tätigkeit, die nur von Träumern und hoffnungslosen Romantikern oder hirnlosen Trotteln und weltfremden Spinnern betrieben wird. Da ich zu einer dieser Kategorien gehören muss, solltet ihr mich mit Vorsicht genießen und besser nicht beim Schreiben stören. Sonst beiße ich nämlich. Und vielleicht ist mein Wahnsinn ja ansteckend ...“

 

 

© Michaela Göhr, Mai 2018

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Kommentare: 3
  • #1

    Ana (Donnerstag, 03 Mai 2018 10:55)

    Du sprichst mir aus der Seele und ich hätte es nicht besser formulieren können.

  • #2

    Christine Kayser (Donnerstag, 03 Mai 2018 18:05)

    Geht mir genauso.
    Ich schreibe bestimmt, bis ich eines Tages beim auf die Tasten tippen tot umfalle.
    Allerdings brauche ich nichts erfinden.
    Das Leben schreibt die besten Geschichten und die Poesie.

  • #3

    Beate Werst (Donnerstag, 10 Mai 2018 10:38)

    Moin, moin, ihr Lieben,
    eure Zeilen klingen so negativ, als hättet ihr das dringende Bedürfnis, euch eurer Lust am Schreiben wegen entschuldigen zu müssen... Hm. Ich sehe das ganz anders! Mich hat aber auch noch niemand schräg angeschaut, wenn ich von meiner Schreibleidenschaft erzählt habe, ganz im Gegenteil! Und: Ist es nicht auch einfach nur schön, andere Menschen mit dem, was man zu Papier bringt, zu unterhalten? Sie zum Lachen zu bringen, zum Träumen, zum Nachdenken, oder im Idealfall zum Sich-selbst-wiederfinden-und-entdecken? Das zumindest ist für mich auch ein Teil meiner Motivation dran zu bleiben. Dass ich meinen Roman noch nicht zu Ende gebracht habe, an dem ich seit Jahren immer mal wieder arbeite, liegt an der fehlenden Zeit, dem nötigen Schuss Phantasie und der Tatsache, dass ich mich leicht in meinen Handlungssträngen verheddere. Aber es wird. Irgendwann.

    In diesem Sinne ganz herzliche Grüße!