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Coronagedanken

Momentan scheint es kein wichtigeres Thema zu geben, obwohl dieses Problem nur eines von vielen ist, das uns bewegen sollte. Es hängt eine Menge daran - ob es nun die eigene Gesundheit ist, die von Verwandten, Freunden oder Bekannten, der Job, die Reise, geplante Unternehmungen oder das persönliche Armageddon. Für jeden ist Corona etwas anderes - vom Desaster bis zum Mythos, von der riesigen Herausforderung bis zur neuen Geschäftsidee. Es zeigt sich, dass dieses Virus nicht nur lebensgefährlich sein kann, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen hochansteckend ist. Hand aufs Herz - wer kann sich davon freisprechen, dass ihn die Ereignisse der vergangene Zeit in irgendeiner Weise berührt haben? Wir alle sind ‚coronifiziert‘, der eine mehr, der andere weniger. Etwas hat sich verändert - und zwar tiefgreifend und dauerhaft. Jedes Ereignis prägt uns als Individuen, bringt Neues in uns zum Vorschein oder verstärkt Eigenschaften, die vorher schon da waren, sich nun jedoch umso deutlicher zeigen. Ein solch globales Ereignis wie diese Pandemie verändert jedoch nicht nur uns selbst, sondern die Gesellschaft sowie unser Bild vom System, lässt uns viele Dinge in einem ganz anderen Licht und aus einem veränderten Blickwinkel sehen.

So haben, teilen, ignorieren oder leugnen wir Sorgen und Nöte. Wir müssen uns anpassen und kommen nicht umhin, uns Gedanken darüber zu machen, welche Maßnahmen in welchem Maße sinnvoll oder gerechtfertigt sind und welche Folgen sie wirtschaftlich, persönlich, sozial und emotional haben. Ich persönlich halte nichts vom Aufstand oder Protest gegen Regeln, die lediglich der Vorsicht und Rücksichtnahme dienen. So lange ich sie mit meinem Gewissen vereinbaren kann, befolge ich sie, auch wenn ich dafür meinen persönlichen Komfort oder meine Bedürfnisse zurückstellen muss. Ich murre nicht und rege mich auch nicht öffentlich darüber auf, sondern versuche im Gegenteil, auch dort nett und höflich zu bleiben, wo es nervig wird. Selbst wenn ich diese Regeln an manchen Stellen für übertrieben oder sogar kontraproduktiv halte, muss ich meine laienhafte Meinung nicht öffentlich kundtun. Es reicht, wenn ich mich darüber mit meinem Partner austausche, mit meiner Familie und meinen Freunden.

Andererseits hilft mir ein Blick über den Tellerrand zu erkennen, welchen Stellenwert Corona in vielen anderen Teilen der Welt hat, in denen dieses Virus in Armut, Hunger, weiteren Seuchen, Heuschreckenplagen und Naturkatastrophen praktisch untergeht. Ich weiß, dass diese Relation der Situation des Einzelnen, dessen Schicksal dramatisch von Covid-19 heimgesucht wurde, nicht gerecht werden kann. Auch hierzulande gibt es sehr viel Leid. Der Blick nach draußen kann mir lediglich die Bedeutungslosigkeit meiner eigenen kleinen Probleme, Ärgernisse oder Unannehmlichkeiten bewusstmachen. Wie die meisten Menschen in Deutschland lebe ich trotz Einschränkungen und finanzieller Einbußen noch immer im Paradies und bin äußerst dankbar dafür. Vor allem, wenn ich an diejenigen denke, die tatsächlich überproportional unter den Umständen leiden - Erkrankte (physisch oder psychisch), Menschen in Pflege- und Altersheimen, Obdachlose und Asylanten. Von denen hört man - im Gegensatz zum lautstarken Gejammer um das Maskentragen im Supermarkt, das ausgefallene Konzert oder den stornierten Urlaub auf Mallorca - kaum ein Wort.

Schade eigentlich.

Ich würde mir wünschen, dass jeder Einzelne von uns aus dieser Krise für sich persönlich eine nicht ausschließlich negative Bilanz zieht, sondern zumindest rückwirkend in der Veränderung auch etwas Gutes sehen kann.

Und sei es nur, dass wir die Kraft hatten, aufzustehen und weiterzugehen - oder anderen dabei behilflich zu sein. 

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